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Brüssel
Bremen, Lilienthal.
Ich fokussiere mich auf Berlin und Hamburg.
Das ist ein kleiner Abschnitt des Lebens von Hans und Johanna

 

 

Johannes besondere Lebens Umstände.

Um Johanna kennen zu lernen und zu verstehen, muss man ihre frühkindlichen Erfahrungen und die damit verbundenen Umstände kennen. Damit ist man geradewegs in der deutschen Geschichte und speziell in dieser Zeit.

Die politische Situation: Herkunft und Flucht der Familie

Mutter Anneliese Riemann und damit Johanna stammten … ich weiß nicht genau… aus dem Osten, vielleicht Johanna Herkunf (ca.12:00). Damit ist so meine ich ein Thema gesetzt, dass ich so abgespielt haben könnte:.
Das dritte Reich hatte den Deutschen Lebensraum im Osten versprochen. Der neue Lebensraum sollte durch die Eroberung von Gebieten in Ost Europa, insbesondere Sowjetunion geschaffen werden. Hitlers Expansionsidee mündete sowohl im Westen als auch im Osten in den 2. Weltkrieg. Im Osten Lebenden deutschen mussten zum Kriegsende fliehen, um dem Griff der russischen Besatzung zu entziehen. Mutter Riemann und ihre kleine Tochter erlebten den Zusammenbruch der gewohnten Ordnung, den Verlust aller Sicherheiten. Hinzu kam, dass die russischen Truppen an ihnen vorbeimarschierten, was die ohnehin belastende Situation weiter verschlimmerte. Sowohl die Flucht, die Erniedrigung und Demütigung als auch die langsam erwachende Erkenntnis der Schuld des Hitler-Regimes, ist eine kaum nachvollziehbare Herausforderung.  Niemand konnte diesen Umständen entfliehen – alle mussten sie akzeptieren und ihr Schicksal hinnehmen.

Johanna’s Geburt und frühe Kindheit

In dieser Zeit wurde am 17. Juni 1941 Johanna geboren. Mutter mit Tochter waren auf sich allein gestellt mit radikaler Änderung des Lebens. Schöne Träume verwandelt sich in Tränen. Flucht, der Verlust der Heimat und Arbeit, dazu die Perspektivlosigkeit bedeutete Überforderung und Kontrollverlust für die alle betroffenen Menschen so auch Mutter Anneliese. Die katastrophalen Ereignisse, könnten einer Aggression nach außen nicht möglich, so doch nach innen gewirkt haben

Auswirkungen der Umstände auf Johanna

Zu welchem Zeitpunkt, Mutter und Tochter in Berlin erreichten, weiß ich nicht. Wenn man die Bilder von Berlin 1945 (0:16) anschaut, erklärt das viel. Ich hätte mir gewünscht, dass Johanna zu einer anderen Zeit geboren worden wäre. Auch wenn das kleine blonde Mädchen ahnungslos in das Bild hinein lächelt, kann ich mir vorstellen, dass diese frühkindlichen Erfahrungen auf Johanna wie eine physische und psychische Erdrosselung gewirkt haben. Mit der Redewendung „da stockt der Atem“ ist die Wirkung treffend beschrieben. Diese traumatischen Erfahrungen führten zu gesundheitlichen Einschränkungen, die Johanna im weiteren Leben begleiteten. Für mich ist vorstellbar, dass diese Umstände auf das kleine Mädchen Johanna als tiefe Kränkung ihrer kindlichen Persönlichkeiten gewirkt haben.

Anneliese Riemanns Charakter und Einfluss

Anneliese Riemann war eine herzensgute Frau und Krankenschwester. Ihre soziale Aufgabe prägte sie tief und sie ging in dieser  hingebungsvollen Rolle auf. Sie stellte ihre Pflicht und das Wohl anderer voran. In der Welt, aus der sie stammte, dem Osten, schien es eine starke soziale Verpflichtung und Bindung an soziale Werte zu geben. Diese Eigenschaften und Werte prägten die Art und Weise, wie sie Johanna erzog. Diese Haltung war konservativ und ein prägender Einfluss. Das war die Grundlage für Johannas Johannas intuitive Orientierung.

Endlich zum Thema: Berlin

Johanna war 25 Jahre, als ich sie 1966 kennenlernte. Sie war kein Teenager mehr, sondern eine schlanke attraktive Erscheinung mit einem interessanten Job bei Atze Brauner. Das war das für mich super interessant, denn der „Atze“ war irgendjemand in Berlin. Er ein polnisch-jüdischer Film Produzent, der den zweiten Weltkrieg in der Sowjetunion überlebte. Als Berliner Original kam er schon kurz nach Kriegsende nach Berlin zurück. Er stand wie kein anderer für deutsche Filmkunst. Johanna war also eine junge Dame, die einen besonderen Hintergrund und Position in einer bedeutenden Film Schmiede.
In den dunklen ereignislosen Tagen zwischen Weihnachten und Februar war ganz klar, daß sich junge Damen mal da umschauten, wo etwas los war. Sie wurden in der Kunstakademie beim „Zinnober“ (1:09) fündig. Ich habe nie gefragt, ob sie aufgrund meines Zinnober-Plakates, das in W-Berlin plakatiert war in die HFBK zum Karneval im Berliner-Stil gelockt wurden. Der Zinnober, ein Zoo mit Verrückten, alles Künstler-Idealisten, nicht immer mit einem nicht ganz lupenreinen Ruf. Die junge Dame Johanna war nicht allein, sondern in Begleitung Ihrer Freundin Ute. Das Doppelpack – so die Vermutung, – soll ein Schutzmechanismus gewesen sein, um gemeinsam den Begehrlichkeiten wilder Männer und obendrein der unberechenbaren Künstler zu widerstehen.
Denkste!

Um das Risiko eines Kontaktes zu minimieren, standen beide vom Publikum abgewandt an der improvisierten Sekt-Bar.  Sie wirkten sie für mich wie bestellt und nicht abgeholt. Dennoch fielen Sie mir als gepflegte, nicht ganz karnevals-kompatibles Paar auf. Einer spontanen Intuition folgend sprach ich nach dem Motto „teile und reagiere“ erst einmal ihre Freundin Ute an. Kontaktversuch positiv! Nach diesem Check wandte ich mich der anderen jungen Dame, Johanna zu. Sie wirkte unnahbar und freundlich gleichermaßen. Heute würde ich ihre Haltung so beschreiben: „wenn Du was von mir willst – mein Kleiner – dann streng Dich mal eben ein bisschen an“. Diese Mischung, weder ausgeflippt noch langweilig, dezent provokativ zwischen Hochmut und Einladung war für mich schon attraktiv. Hier also selbstbewusste Berlinerinnen im Doppelpack mit der von Gott gegebenen Attraktivität war schon reizvoll. Soll ich sie wirklich ansprechen, oder was tue ich jetzt? Mit der Autorität des von mit gestalteten Plakates im Rücken fand ich Mut, ein Schrittchen, weiter zu gehen und …  „funkte“ es?
Lieber Hans, Du weißt, so schnell schießen die Preußen nicht … besonders, wenn die Übung fehlt.

Unerwartet entwickelte sich ein kleines Gespräch. Um ein bisschen Hintergrund herauszulocken, versuchte ich das Gespräch in die Länge zu ziehen – Stufe um Stufe, sagte ich mir. Mein Ziel war es jetzt eine schöne Zinnober-Trophäe mit nach Hause zu nehmen. Das hieß nichts weniger als vielleicht den Namen und Telefonnummer einzuheimsen.
Und überraschenderweise ergatterte ich Namen und Telefonnummer von Johanna. Selig fuhr ich spätnachts mit der letzten S-Bahn nach Hause.
Ja, um diese Zeit gab es schon Telefon! Was heißt Telefonnummer und Namen? War da nicht ein Follow-up gefragt. Aber wie, das war für mich eine nächste Herausforderung.

Wannsee Frühling 1966

Und jetzt? Obwohl ich Johanna kennen gelernt hatte, hinterließ der Februar und März Tage keine scharfen Konturen. Bis auf einen denkwürdigen Augenblick. Um den Johanna Kontakt weiter zu entwickeln, trafen wir uns ein, oder zweimal in der Stadt. An einem Abend, es war etwas später geworden, ich vermute, das Mutters Zeitlimit wurde gerissen. Um die S-Bahn um 0:00 Uhr pünktlich zu erreichen Uhr brachte mich Johanna zu einen der letzten Züge zum S-Bahnhof – über Westkreuz nach Wannsee. Es war schon ca. 23:56. Wie sich in der gebotenen Eile verabschieden? Beim Aussteigen schauten wir uns an nach dem Motto „na denn mal tschüss“ Gefühlt war das Wort „tschüss“ unerträglich. Vielleicht ging es Johanna genauso. Spontan überraschte uns die Wahrheit. Das Wort „tschüss“ sollte getilgt  und mit „bis bald“ ergänzt werden. Das war der Zündfunke für die erste Umarmung. Meine Flamme loderte in sekundenschnell, so unerwartet schön. – eine Minute vor Abfahrt des Zuges, um 23:58 geschah unser Casablanca Moment.

Ich musste „mein Mädel“ zurücklassen, um in meine Studenten-Wirklichkeit zum Wannsee zurück zukehren. Die Trennung schmerzte mich, hatte ich mir zu viele Gefühle eingefangen? Ich interpretierte Johannas Reaktion als emotionale Hinwendung als eine Art Bonus unserer Gespräche. Mein Seismograph meldete: grünes Licht, raus aus der ”schauen wir mal, dann sehen wir’s schon“ Modus, hin zu einem inneren „Ja“ zu einem planbaren Ja zu  dem Verabredungs-Miteinander. Wir hatten ein neues Level erreicht. Ein neues Lebensgefühl kehrt ein, ein Stückchen von „ihrem Zweisamkeits-Kontingent“ zu besitzen.  Das bedeutet du vielleicht ein Kino- oder ein Spaziergeh-Abo zu haben. Es wäre ein Wunder, wenn wir nicht im Kino Ku-Damm oder im Zoo Kino gewesen wären. Ich erinnere mich nicht mehr. Aber es muss toll gewesen sein, könnte es doch die Option „Händchenhhalten“ gewesen sein.

Irgendwann zur schönsten Frühlingszeit schlug ich Johanna vor am Wannsee zu spazieren zu gehen.
Nicht zufällig, denn dort am Wannsee in einer Villa am Sandwerder 1 logierte ich in meiner Studentenbude …  mit Blick auf den Wannsee. Die Villa lag erhöht über dem Wannsee auf einem 16.000 m² großen am Wasser gelegenes Grundstück, an dem ich mein Paddelboot hatte. Was ich damals noch nicht wusste, war der Villa: „Villa Wild“.

Johanna hatte wohl erkannt, dass ich nicht der kompromisslose Draufgänger war, doch lag, wie an einem schönen Frühlingstag, die Idee in der zarten Luft mit ihr die Villa zu besuchen. Das war eine imposante Villa im italienisch im toskanischen Stil. Wir standen wir vor der Doppeltür. Mit einer höflichen Hand-Geste bat ich Johanna die rechte Haustür zu durchqueren. Dort gab große runde Reliefs mit den vier Jahreszeiten… sehr schön. Ich tippte mit dem Finger auf den Frühling, schau mal an, so schön! Wir gingen die Treppe in den ersten Stock, ich öffnete meine Zimmer-Tür und schon war das unvorstellbare geschehen: Johanna war in meiner Bude.
Nun wurde sie mit den harten Realitäten konfrontiert, weil nichts anderes als eine Glühbirne, die über der halben Tischtennis-Platte schwante und daneben ein Stuhl. Darum bot sich nur das Bett für eine kurze Verweildauer an. Sehr vorsichtig, der Bedeutung bewusst, saßen wir zunächst ordentlich, dann, weil bequeme Strecken wir uns leger hin und drehten uns einander zu, war das so richtig?  Um dieser Frage auszuweichen, deutete ich Johanna mit dem Zeigefinger an, mal nach oben zu schauen. Entlang der Decke gab es aus alten Zeiten prunkvollen Stuck zu sehen. Sie folgte bereitwillig. In Augenblick hatte das Schöne und die Harmonie die Regie übernommen. Wir fanden in der Betrachtung Gemeinsamkeit und Gefallen. Wie hätte ich die Situation durch Übergriffigkeit zerstören können – nein. Schon diese kleine Reise war für mich emotional sehr fordernd: Wie formal angemessen verhalten, wie den Neigungen und Gefühlen folgen? In dieser Zeit war ich auf der Suche nach mir selbst und was ist richtig? Was ist falsch? Und vor allen Dingen, wie erkenne ich Johannas innere Befindlichkeit? Nichts war mehr sicher. Denn in meiner Wahrnehmung war ich nicht sehr prachtvoll, ein fehlgeschlagener Schüler, der sich ersatzweise im Kunstmilieu profilieren will, unsicher, was Fähigkeiten im Leben und Leistung betrifft. Ich war nur auf der Suche, ob sich überhaupt was findet, was später in meiner Leben-Wirklichkeit zu gebrauchen war. Würde es ab jetzt eine fest-freie Freundschaft geben?

Und es fand sich Etwas: Hamburg.

In der Zeit der vielen Hoffnungen gab Johanna ihre Stellung bei Atze Brauner auf und wechselte nach Hamburg in die Alster Studios (0:22) in ein Unternehmen von marktbeherrschendem Rang.

Ihre Entscheidung zu wechseln verlangte auch von mir eine Entscheidung. Denn im Laufe unserer Bekanntschaft entwickelt sich auch bei mir der Wille nach Fortschritt. Ich befand mein Studium an der HFBK zu beenden, um ins Berufsleben einzutreten. Parallel dazu bewegte mich die Frage oder ob es richtig wäre, meine super Studentenbude am Wannsee aufzugeben und wieder „allein“ in Berlin zu verbleiben.

Nein, danke!

Ich erkannte, dass die Früchte der Gemeinsamkeit, süßer waren. Ich entschied mich Johanna nach Hamburg zu folgen, um in einer internationalen Werbeagentur McCann (Esso, Coca Cola) anzutreten. Für mich war es ein Sprung ins kalte Wasser. Ich erkannte, dass eine Kunstakademie nichts mit Werbung zu tun hat.

Nun waren wir beide in Hamburg, einer völlig fremden, hanseatisch-steifen Umgebung. Ich glaube, Johanna tat sich leichter, im neuen Job Fuß zu fassen. Sie ging in ihre Arbeit auf und traf viele Leute aus Film und Fernsehen. Sie hatte Kontakt mit Stars und VIPs am laufenden Band. Sie war Chef-Sekretärin und Empfangsdame, mit ihrem Lächeln eine gute ansprechende Visitenkarte für das Haus.
Zudem war für mich Berliner Studentensicht Hamburg ziemlich provinziell, zurückgeblieben und sogar nichts los, von dem was mich interessierte. Das war ein Kulturschock. In meinem neuen Job hatte ich den Wandel zu vollziehen, um von einem geachteten Kunst Studenten Dienstleister in einer internationalen Werbeagentur zu werden. Es hieß es nicht mehr frei, sondern nach Briefing und Zielen des Etatdirektors irgendwie in Gestaltung zu verwandeln. In dieser normativen Realität des Lebens angekommen, rückten 1968 die Nachrichten von berliner Studenten immer weiter in den Blickpunkt. Das war also genau der Protest den ich durch den FU-Spiegel mit publiziert hatte. In Berlin war was los. Dort bot man der konservativen prüden, fleißigen Nachkriegs-Eltern die Idee des antiautoritären, demokratischen Deutschland an. Es war die Zeit der „Achtundsechziger (3:59)“ des Anti-Establishments, der Kommune 1, der Freien Liebe, der Anti-Vietnam Demonstrationen und hohe der Ho-Ho- Ho-Chi-Minh-Rufe. Im Ergebnis nannte man das Demokratisierung. Die alten Werte, der Eltern Generation wurden auf den Müllhaufen geworfen.

Johanna und ich hatten zwei Gründe intensiven Kontakt mit Berlin zu halten. Es versteht sich von selbst, dass Johanna ihre Mutter besuchen wollte. Ich hatte das Motiv die Protestmärsche zu begleiten, hatte ich doch in der HFBK für die Unruhestifter, der Studentenschaft der Freien Universität den „FU-Spiegel“ gestaltet. Damit war ich, gemeinsam mit einigen Kommilitonen ein mini Rädchen der linken Studentenschaft. Diese links-ideologisch sehr gefestigten Studenten waren von der „Springer-Presse“ sehr beobachtet und verhasst. Darum war es toll gelegentlich ketzerische Arbeiten Texte und Bilder aus dem „FU-Spiegel“ in der Springer Presse zu sehen. Wir waren wir beglückt in solche System verändernde Rolle hinein gewachsen zu sein sondern Kunden ausdehnten Autorenrechte einfordern! Mein merkantiler Geist erwachte!

Johannas braver himmelblauer VW 1200

Zu dieser Partnerschafts Probezeit war es einer der klugen Entscheidungen, dass wir nicht (dauerhaft) zusammenwohnten. Jeder hatte sein eigenes Revier irgendwo in der Stadt. So kommt es auch, dass ich gelegentlich bei ihr abends zusammenkamen, wo Johanna für mich das berühmte Taiwanesische Nasi Goreng vorbereitet hatte. Das war der letzte Schrei der Convenience Produkte.

Zu diese Zwitter-Zeit Nachkriegs- und Aufbruchszeit, zwischen politischen Ost und West Gesellschaftssystemen, zwischen Konservativem, Demokratischem und  Sozialistischen zu illustrieren, ist es mir wichtig, auf diese Zeit etwas näher einzugehen.

Mit Johannas himmelblauen VW führen wir öffer zurück nach Berlin. Auf dem Wege wurden wir mit dem Nachkriegsdeutschland konfrontiert. Es war schon ein gruseliger Angang auf der Transit Route F5 in die DDR einzureisen und die angsteinflößen Passkontrollen zu durchlaufen. Bei der geheimnisvollen Passprüfung wusste man nie, ob der Pass am Ende aus einem mit Lappen verkleideten Luke der Pass wieder herauskam, oder ob man zur Fakten-Prüfung musste. Ich wurde gelegentlich in ein Nebenzimmer heraus gerufen, um Fragen eines DDR Offiziers zu beantworten. Offensichtlich sahen die eine Chance mich als Agent zu werben, denn ich war mit einer West Berliner SED Werbetour nach Moskau gereist. Aber in Gänze drei Interviews haben die Offiziere festgestellt, dass „männlich und jung“ sich nicht immer gut für solche Aufgaben eignet.

Nach einem solchen Interview gedemütigt, ging die Fahrt auf die schnurgeraden baumgesäumten Landstraßen durch kaum beleuchtete grauen Städte: Ludwigslust-Russen-Stationierung, Perleberg-Russen-Stationierung, Nauen-Russen-Stationierung, vorbei an der viele Kasernen, bis wir in Berlin-Staaken ankamen. Jedes Mal ein – Gott sei Dank – wieder in bekannter Realität. Das bedeutete etwas mehr freiheit, Farbe, wieder Berliner Luft zu atmen um sich in heimischer Umgebung leicht zu fühlen.

Die Mutter Riemann wohnte, so erinnere ich mich, im Norden Charlottenburgs in einem typischen Nachkriegsareal. Die nach dem Krieg schnell hoch gezogenen Gebäudeeinheiten wurden als Sozialwohnung bezeichnet. Was die Wohnung und das ehemalige zuhause von Johanna betrifft, erinnere ich mich an den modernen braunen Schrank. Das war der letzte Schrei, ein großes Monster-Repräsentations-Schrank-Möbelstück, gefühlt 10 m lang. Der stand an der Wand und füllte wohl die Hälfte des Wohnzimmers aus. Immerhin zeugte das multifunktions Möbelstück von einem kleinen Wohlstand auf dem Mutter Riemann, jetzt voll in ihren Krankenschwester Beruf integriert, sehr stolz war. Zurecht! Mutter Riemann nahm mich sehr freundlich auf. Durch ihre emotionale Wärme fühlte ich mich dort wohl, Mutter kochte, Johanna assistierte, ich war der Pascha,  wir gemeinsam schauten Fußball Weltmeisterschaft. Eine kleine Familienidylle, das muss 1970 Mexiko gewesen sein.

Arbeit Auto Ausflüge

Johanna und ich, jeder war jetzt mit seiner Aufgabe und Wirkungsstätte vertraut. Wir hatten die Fremdheit von Hamburg überwunden und das Gefühl in Hamburg angekommen zu sein.
Die Sensation: wir kaufen uns gemeinsam einen tannengrünen Renault R4 (0:29) ein wunderschön praktisches Gerät, mit dem man viel hineinpacken konnte, sparsam und ausreichend schnell, vielleicht sogar etwas schneller als der VW. Mit unserem gemeinsamen neuen tüchtigen Freund gab es die Möglichkeiten, Spritztouren zu machen, die Gegend außerhalb von Hamburg kennen zu lernen. Darum versüßen wir und die Wochenenden mit Ausflügen in die Gegend, nach Hamburg Wohldorf, Timmendorfer-Strand oder Sankt Peter Ording.

Timmendorfer-Strand,

Ein Tag am Ostsee Strand war gefühlt ein Urlaub, so wie wir es mochten, Sonne, weicher Sand. Dazu etwas Abstand vom Job zu gewinnen. Am Strand angekommen merkte ich, dass ich durch mein Persönlichkeit verbiegendes Arbeitsprogramm, doch ziemlich erschöpft war. Meine Batterien brauchten eine Ladezeit. Ich erinnere mich am Strand eingeschlafen zu sein. Ich warte mit Freude und ohne die normalen Einsamkeits-Ängste auf. Johanna war neben mir. Sie lächelte mich an. Sie gab mir das gute Gefühl beisammen zu sein.

Sandbank Sankt Peter Ording

Den Ort kannte ich gut. Als Kind von 6-9 Jahren war dort im Kinderheim „Haus Frisia“ aufgewachsen und ging dort in die Volksschule. Ich kannte auf der Landseite die Föhrenwälder, auf der Wasser Seite die Strände, Strandsegler und die Sandbänke. Ich vermute, dass auch Johanna diesen Ort mochte. Zu jeder Jahreszeit machen wir uns auf den Weg nach Sankt Peter Ording, heute „SPO“.  Wir mochten den ca. 12 km langen Sandbank entlangzulaufen. Wasser und Wellen, Wind und Treibsand zu beobachten. Erholsam war auch die frische Luft, die Johanna so gut tat. Denn schon damals hatte sie immer einen Spender in der Tasche, den sie nur gelegentlich nutzte.

In der Entspannung entwickelten sich und Gespräche und Themen abwechselnder der Dringlichkeit, der gesundheitlichen Befindlichkeit, Erkenntnisse aus Büchern oder Kinos, der Berufs, Arbeits- und Kollegen-Welt. So sinterte das ganze Potpourri der seelischen und beruflichen Befindlichkeit in unsere Köpfe. Ich habe den Eindruck, dass Johanna sich nicht unbedingt mit meinen Tiefen eines Themas befassen wollte, teilten wir Erkenntnisse und unterschiedliche Ansichten. Im Laufe der Zeit entwickelten sich die Sandbank Wege zu einem wandelnden Gesprächs- und Therapiezentrum. Damit wandelte sich die Landschaft zu einem Partnerschafts-Experimentierlabor. Ich vermute, wir gaben uns unbewusst gegenseitig Orientierung und Anregungen. Denn noch nicht ganz in der Mitte unseres Lebens, war der Bedarf an Orientierung groß. Wir waren erst am Anfang einer bewussten Zukunftsplanung.

Ich denke Johanna. Sie war eingefügt in ihre sinnvolle Aufgabe. Ich entnahm ihren Schilderungen Freude an der Arbeit, sodass ich glaube alles lief sehr glatt und erfolgreich.

Für mich war es die Zeit, wo ich im Job mehr geben musste, als ich hatte. Ich betone das, denn was ich in dieser Zeit Johanna anbieten konnte, war nicht immer vom Besten. Reue überfällt mich wieder. „Confessions of an advertising man“. Ich lernte Johanna kennen auf der einen Seite als sensibel gegen Missstimmungen, auf der anderen Seite aber eher gelassen, denn sie tolerant gegen meine emotional Exzentrik, machte mir nie Druck etwas zu tun oder zu lassen. Trotz meiner emotionalen Spannungen war mit ihr immer ein zugewandtes Zusammensein möglich. Heute erkenne ich ihre Leistung und Ihre menschliche Qualität, großartig! (Die ist mir so nie wieder begegnet.)

Zurück zur Sandbank

Besonders im Frühjahr wurde die Sandbank zu einem Erlebnispark. Wenn wir am Wasser entlang gingen, kreuzten wir gewisse typische nasenartige Sandformationen. Ich wusste, dass dort Bernsteine liegen (0:30). Auf der wasserabgewandten Seite sind, kleine Priele, mit schwarzen angeschwemmtem, morschen Holzreste sehen. Wegen des gleichen spezifischen Gewichtes Sind in diesem Gemenge dicke Bernsteine zu finden.

Echt!

Besonders spannend waren die morgendlichen Spaziergänge, wenn die wärmende Sonne die Feuchtigkeit aus dem Sand saugte. Die Nebenschwaden krochen kniehoch um die Beine herum, sodass der Eindruck entstand, dass sich andere Besucher in der Ferne, schwebend in der Luft über die Sandbank glitten. Dieses Frühlingsereignis reizte mich auch von Johanna Fotos zu machen. Wo sind die Fotos geblieben? Weiß ich nicht. Heute befinden sich in meinem Kopf jugendlich schöne ikonographische Johanna Bilder. Das waren meine Ansätze fotografisch bedeutendes zu schaffen.

Bad Nauheim.

Meinen Eltern war nicht verborgen geblieben, dass ich eine Freundin hatte, die Johanna hieß. Mit unseren R4 fuhren von Hamburg nach Bad Nauheim. Dort wohnten und arbeiteten meine Eltern. Es wurde Zeit also ich präsentierte mein Mädel. Johanna hatte durch ihre sehr gute Erziehung und freundliche, Art und Herzensbildung sofort das Herz meiner Mutter gewonnen. Meine Mutter hatte, durch ihre Lebenspraxis und Erfahrung einen sicheren Instinkt für Menschen, „die zu uns gehören“. Sie wusste „echte und saubere Menschsein zu erkennen“ und Johanna gehörte dazu. Allerdings, bei aller Freude dazu zu gehören, hatte ich das Gefühl, dass ich bei dem Vergleich der Sympathiefaktoren den Kürzeren gezogen hatte. Wenn später die Rede auf Johanna kam, hieß es immer: „Kay und die „arme Johanna!“. Klarer Fall, Mitleid für Johanna. Mein älterer Halb-Bruder Klaus, Unternehmer und aus der Sarkasmus-Abteilung mochte Johanna ebenso. Das äußert sich darin, dass er gleich einen Spitznamen für sie fand: „das Streichhölzchen“. Das war liebevoll, denn seine Frau Pampi, hatte für mich eine etwas – sage ich mal – eine zu ausgeprägte weibliche Figur. So etwas mochte ich nicht.

Winklmoos Alm

Johanna gehörte nun selbstverständlich zu uns. Die Sympathie meiner Eltern machten es möglich, dass ich Johanna zu Weihnachten auf die Winklmoos Alm (0:19) einladen dürfte. Das waren die Urlaubstage mit Jahresend-Festen, genannt Weihnachten und Neujahr. Sie waren so etwas, wie eine traditionelle Familienfeier. Johanna bekam ein eigenes Hotelzimmer direkt neben meinen Eltern. ha, ha, ha! Mein Bruder und ich wurden in das gegenüberliegende Holz-Stadel auf Bodenmatratzen verfrachtet. Ob Johanna Skilaufen gelernt habt, ist mir nicht in Erinnerung. In Erinnerung, dagegen sind die Spaziergänge in den sonnigen Winter-Wäldern im Spazier-Areal der Winklmoos Alm. In den langen Abenden ging es in das Restaurant, wo Rosie Mittermaier gelegentlich auftauchte. Um die Zeit spannend zu machen, hatte ich gerne mein Zeichenblock dabei. An einem Abend mache ich Zeichnungen von Johanna. Es kamen Bundeswehr Soldaten vorbei, die auf einer anderen Hütte stationiert waren. Die fragten: was machst du da mit dem Mädel? Frage: Kannst du auch von mir eine Zeichnung machen? Antwort: Sitz di niada, hoit’s Mai. I moch des. Es waren sieben oder acht Soldaten, sieben oder acht Zeichnungen ich denke brillante. Als Dank wurde mir von jedem Soldaten, Opfer ein Obstler serviert. Ich war nie wieder so besoffen.

Ein wunderbarer Johanna Wirkeffekt: Mir ist in Erinnerung geblieben, dass meine Mutter immer gelöster wurde, je mehr sie sich mit Johanna unterhielt und beschäftigte. Endlich konnte meine Mutter sonst nur von Männern umgeben mit einer jungen Dame kommunizieren.  Aber auch das, plötzlich wurde es ernst: In der Gaststätte arrangierte mein Vater einmal den gefürchteten Puschkin Abend. Das war ein Test. Wir mussten uns einen Wettbewerb unterziehen, wie viele Puschkin Schnäpse mit Kirsche wir trinken konnten, ohne betrunken zu sein: Hier kann ich mal sagen: „arme Johanna!“

Kleidung für eine junge Dame

Wie immer sah Johanna gepflegt und adrett aus. Das würde unterstützt durch ihre Körperhaltung und stilvolle Art der Kleidung. Gelegentlich kauften wir Ihre Garderobe mit gemeinsamer Willenskraft. Mir sind zwei wunderbare „Outfits“ in Erinnerung, die so sehr zu ihr passten. Ein kurzärmeliges Sommer Leinenkleid, Preußischblau, abgesetzt mit schmalen roten und weißen Streifen an Ausschnitt, Armansätzen und Rocksaum. Das sah sehr sportlich aus, auch wegen der kurzen Rocklänge. Die für damalige Verhältnisse schon ziemlich gewagt, aber wenn schon denn schon – denn Johanna hat eine gute Figur dazu ein freundliches offenes Lächeln. Wenn die Blicke einiger Bewunderer zu lange an ihrem Rocksaum am hängen blieben, lächelte sie, um deren Blicke wieder zurück nach oben zu begleiten. Ein anderes Kleid, mehr Lady-Like, vielleicht aus Jersey Material ist mir als besonders in Erinnerung. Über die Rocklänge hinweg gab es ca. 10 bis 15 cm breite gelbe und blau Streifen. Kraftvolle Farben, nicht nur wegen des grafischen Effektes ein attraktiver Anblick.
Frage: gibt es eines dieser beiden Kleidungsstücke noch?

Tempi, Passati.

Irgendwann hatte Johanna eine neue Bekannte oder Freundin. Sie war aus gutem Hause und hatte durch die Tätigkeit ihrer Eltern oder ihres eigenen Berufes etwas Reederei, mit Logistik und Shipment zu tun. Johanna war wie immer für andere Menschen sehr zugänglich und damit war es für sie einfach sich mit ihnen zu solidarisieren und Freundschaften zu schließen. Andere Freundschaften bringen andere andere Einflüsse, andere Themen, andere Themen neue Ideen neue Pläne. Und große Pläne brauchen manchmal ihre Zeit bis sie zur Entfaltung kommen.

Die Mellingburger Schleuse

Im Norden Hamburgs, an dem so genannten Alsterbogen machten wir gelegentlich Spaziergänge. Ausgangspunkt und Ziel war feines Hamburg traditionelles Gehöft, das wohl ein altes Bauern-, oder ein Schleusenwärter Haus gewesen sein muss. Hier wohnte die Vergangenheit und Traditionen, die für uns sehr angenehm waren. Wenn wir sonntags Nachmittags an der Alster herum gewandert waren, kehrten wir dort ein. Die Mellingburger Schleuse (0:19) hatte eine Magie, wirkte wie ein kleiner Ort der Zufriedenheit, fern ab unseres normalen Lebens. Vielleicht erlebten wir dort ein gemeinsam vorstellbares Wohnzimmer, in dem wir emotional Ruhe fanden.

Ohne diesen Ort, ohne das Zusammensein mit Johanna sind meine Jugend- Erinnerungen nichts wert. Die emotionale Tiefe und das Vertrauen zu in unsere Gemeinsamkeit verorte ich hier in dieser Zeit und an diesem Ort. Vielleicht war es intuitiv der Versuch, in die Zukunft zu schauen und ein zukünftiges Leben schon in diesem im Augenblick vorwegzunehmen.

Die Mellingburger Schleuse, der Eingang ist vertraut ist geblieben, anderes hat sich geändert, der Gastronomie-Bereich ist offensichtlich der Nachfrage angepasst. In dem Werbefilm ist ein Pärchen dargestellt, dass sich die Location offensichtlich unter dem Aspekt einer Hochzeitsplanung anschaut. In meiner Vorstellung könnte seine Ähnlichkeit mit Johanna und mir gehabt haben. Diese beiden stehen vor einer Zukunft, für die es keine Gewissheiten gibt, sondern nur Mut das Kapital der Jugend zu nutzen.

Der Schlüssel der Veränderung

Johanna hatte eine besonders große innere, ich nenne das eine aristokratische Statur der Gradlinigkeit, der Vertrauenswürdigkeit, der Freundlichkeit, der Verlässlichkeit, der Ehrhardt-lich-keit. Also die Summe vieler positiven Werte, die mit „… keit“ enden. Das Wortspiel, passt nicht so mit der Silbe … Kay.

Kurz um, Johanna entschied Neues zu entdecken. Gestützt, auf die Erfahrung ihrer neugewonnenen Freundin wollen beide jetzt Hamburg verlassen und eine neue Welt zu ziehen. Sie nahm den kleinen Renault R4 mit und verschwand eines Novembers per Schiff nach Südafrika, Johannesburg. Ihr Ziel war, das Kapital ihrer Jugend zu nutzen. Mädchen sind exzellente Investment Strategen.

Ich freue mich nicht nur, sondern ich bin glücklich, dass Johanna ihren Hans in Johanna-Burg gefunden hat, ein Mann, der stabil an ihrer Seite und Vater von zwei Mädchen wurde.
Johanna hatte das so verdient, so war es richtig!

Diese Erfahrung habe ich später in den Satz zusammen gefasst: „Natur will, dass es richtig ist“.
Streng gläubige Menschen definieren den Satz etwas anderes. Sie sagen, „Gott will, dass es richtig ist“. Und so war es.

P.S. Und wie geht es weiter?
Ich bin Hans sehr dankbar. Er hat es mir immer ermöglicht hat mit Johanna Kontakt zu halten und auf dieser Weise zusammen zu bleiben.
Das war mir sehr wichtig, denn Johanna ist meine Jugend, sie ist alles was ich jetzt vermisse.

So war Johanna: mit Herzensbildung und einer aristokratischen Geradlinigkeit. – Das war sie.
In diesem Geist ist sie gewachsen, gestorben – und gleichzeitig immer da!